Neil LaBute: Das Maß der Dinge
Regie: Tina GeißingerBesetzung: Susanne Bormann (Evelyn), Constantin Lücke (Adam), Gina Henkel (Jenny), Marco Steeger (Phillip)
Flash-Animation auf der Homepage der Regisseurin.
Inhalt
Der Student Adam jobbt als Museumswächter. Eigentlich ein ruhiger Job, bis eines Tages die Kunststudentin Evelyn ins Museum kommt und mit einer Farbspraydose auf das Feigenblatt einer männlichen Skulptur losgehen will. Adam überredet sie, zu warten, bis seine Ablösung kommt, und Evelyn besprüht nicht die Skulptur, sondern hinterlässt ihre Telefonnummer in dem Futter seiner Jacke. Der Beginn einer wunderbaren Romanze: Adam tut alles für Evelyn. Aus dem ungepflegten, nachlässigen Studenten wird ein junger Mann, der ins Fitnessstudio geht, seine Brille gegen Kontaktlinsen tauscht, den Inhalt seines Kleiderschranks erneuert und sich eine Frisur zulegt, die diesen Namen auch verdient. Evelyn hält alle Veränderungen mit der Kamera fest. Adams Freunde Jenny und Phillip beobachten die Veränderungen zunächst amüsiert. Ihr Misstrauen ist erst geweckt als die Veränderungen immer einschneidender werden, doch Adam lässt sich sein Glück nicht von außen zerstören. Bis Evelyn Adam eines Tages zu ihrer Vernissage einlädt und vor der versammelten Universität ihre Diplomarbeit vorstellt ...
Das Maß der Dinge sei der Mensch, sagte schon der griechische Philosoph Protagoras. Doch so unterschiedlich wie die Menschen sind, sind auch ihre Ansprüche, Sehnsüchte und Wertmaßstäbe. Nur die Sehnsucht nach dem großen Glück scheint allen Menschen gemeinsam zu sein. Mit psychologischer Genauigkeit und bösem Humor beschreibt LaBute äußerst spannend, wie weit Menschen bereit sind, sich im Glauben an das große Glück manipulieren zu lassen.
Neil LaBute, 1961 in den USA geboren, ist mit seinen Filmen In the Company of Man, Your Friends & Neighbors und Nurse Betty bekannt geworden. Bei einer Kritikerumfrage der Zeitschrift Theater heute wurde er mit bash-Stücke der letzten Tage zum Besten ausländischen Autor der Spielzeit 2000/2001 gewählt. LaButes Stück Das Maß der Dinge wurde in der Regie des Autors 2000 in London uraufgeführt, wechselte anschließend an den New Yorker Broadway. Es wurde von der Presse überschwänglich gefeiert:‚The shape of things’ hat eine enorme psychologische, intellektuelle und erotische Spannung, durchzogen von einem bitterbösen Sinn für Ironie (Sunday Times).
(mit Dank vom Staatstheater Nürnberg)
Susanne Bormann als Evelyn in das maß der dinge
Die erste - nein eigentlich zweite - Begegnung, im Museum:
Adam: „… sie sind zu weit vorgegangen.
Hallo? Ähm, sie dürfen da nicht drüber …“
Evelyn: „Ich weiß. Ich bin kein Hallo.“
Doch vielleicht geht auch Adam bald zu weit? Noch kann er
nicht wissen, worauf, oder besser auf wen er sich da einlässt.
Zunächst geht es hier aber um die Frage, ob das Feigenblatt
von Fornecelli stammt oder später von prüden Einwohnern
hinzugefügt wurde - wie Evelyn behauptet. Sie möchte den
Schwindel anprangern. Mit Farbe. Die im Museum weniger gern
gesehen ist.

...doch Evelyn will davon nichts wissen: Frag nicht warum, wenn das Was vor Dir steht!
Adam stellt Evelyn seinen Freunden Philip und Jenny vor. Die haben gerade hoch- oder besser tieffliegende Plane: Eine Hochzeit unter Wasser. Eigentlich könnte das ja ganz nett werden mit den zwei Pärchen.
Allerdings gerät Evelyn schnell mit den beiden aneinander. Jenny hat gehört, dass im Museum ein Feigenblatt besprüht worden ist. Sie ist empört. Evelyn dagegen behauptet, das sei ein Statement gewesen.
Jenny: Es war kein Statement, das war
Pornographie.
Evelyn: Es war keine Pornographie, das war ein Statement.



Adam:
„Liebe ist ein
großes Wort."
Evelyn: „Ich weiß.
Deshalb gebrauche ich es."

Evelyn „arbeitet" weiter an Adam. Im Wartezimmer des Chirurgen. Hier möchte Adam seine Nase „korrigieren" lassen. So eine kleine Nasenkorrektur ist ja nun wirklich kein Problem. Die lassen viele machen. Evelyn hat sie sich schon mit 16 von ihren Eltern schenken lassen... sagt sie.


Inzwischen ist ein diffiziles Beziehungsgeflecht entstanden. Adam, auf den Jenny früher ein Auge geworfen hatte, hat sich von ihr hinreißen lassen. Zumindest einmal. Zu einem Kuss...und...? Auch zwischen Evelyn und Philip scheint etwas gewesen zu sein. Im Coffee Shop treffen die vier etwas unerwartet aufeinander. Wer weiß was über wen?
Philip zum Beispiel hat Adam mit verbundener Nase gesehen. Nach der Nasen-OP. Zu der sich Adam - früher eher uneitel - nicht gern bekennen möchte. Doch eine Ausrede ist schnell zur Hand: Er ist auf der Treppe gestürzt. Muss Philip die Story ausgerechnet im Coffee-Shop erzählen? Vor Evelyn? Die von einem Sturz gar nichts weiß.

Das Lügennetz wird rissig...
Trinkt Evelyn nun lieber Kaffee ... oder doch lieber Tee...?
War da was zwischen Adam und Jenny? Ein Kuss ... oder gar mehr...?
Und Evelyn hat Philip ... wo getroffen?

Evelyn hat auch einmal kurz in Adams Tagebuch 'reingeschaut...nein zweimal. Jenny kommt darin auch vor. Da stand auch noch was von einem Ausflug im Wald...

Inzwischen hat sich Adam eine tolle Frisur zugelegt, trägt eine neue Jacke, hat sich die Nase korrigieren lassen und 21 Pfund abgenommen. Das alles hat er selbst gewollt.
Jetzt wird es ernst. Er soll auch noch Philip und Jenny als Freunde aufgeben wollen. Er selbst soll es wollen. Oder Evelyn verlieren.
Adam entscheidet sich für Evelyn. - Wie hätten Sie sich entschieden...?


Ein Semester ist vergangen. Evelyn stellt ihre Diplomarbeit vor. Das Installations-Dings. Adam. Ein Mensch. Ein neuer Mensch. Ein besserer Mensch?

Evelyn: „Alles, was ich getan habe, hat dich begehrenswerter gemacht, Adam. Plötzlich bist du den Menschen aufgefallen … interessant vorgekommen, ich hab das beobachtet.“
Adam: „...Ich durfte ein Teil deines Installations-'Dings' sein.“
Evelyn: „Du bist mein Installations-Dings.“
Die Installation ist vorbei, das Kunstwerk geschaffen, das Diplom geschafft. Evelyn trifft Adam ein letztes Mal. In ihrer Ausstellung. Über ihn.
Evelyn: „…das eine mal.“
Adam: „Hm?“
Evelyn: „Bei dir im Bett, der eine Abend, als du dich rüberbeugtest und mir was ins Ohr geflüstert hast … weißt du noch?“
Adam: „Klar. Ich weiß noch alles, was wir getan haben.“
Evelyn: „Und ich hab zurückgeflüstert und gesagt…“
Adam: „Weiß ich noch.“
Evelyn: „Das war ehrlich gemeint. Wirklich.“
(Alle Photos © Marion Bührle, mit herzlichem Dank. Klick oder "Ziel speichern als" für hochaufgelöste Versionen; Größe jeweils 2-3 MB.)
Als Zuschauer gesehen
Mir hat das Nürnberger "maß der dinge" ausgesprochen gut gefallen, die Dialoge sind pfiffig und das Stück ist intelligent und sexy. Der Einfall an sich ist nicht ganz neu, das gab es schon bei Shaws Pygmalion (womit LaBaute an einer Stelle auch kokettiert) und später in My Fair Lady. Da die Geschlechter gegenüber Pygmalion/My Fair Lady vertauscht sind, erhält das Stück aber eine ganz eigene Note. Außerdem: Während die Geschichte vor allem in My Fair Lady ziemlich mit Zuckerguss bestäubt ist (aber wer kann sich schon dem Film mit der bezaubernden Audrey Hepburn entziehen?), wird hier ernst - um nicht zu sagen böse - gemacht. Der äußeren "Entwicklung" dieses Adam steht seine innere Verkümmerung, bis hin zum Bruch fast aller sozialen Kontakte, zugunsten des Mädchens Evelyn gegenüber. Der englische Titel - the shape of things - macht die Absicht vielleicht noch besser deutlich.Lässt man die philosophische Hülle einmal weg, ist die beschriebene Konstellation aber durchaus von dieser Welt. Wer hat sich nicht schon einmal wenigstens ansatzweise verführen lassen? Wer könnte an Adams Stelle widerstehen? Nicht ganz so stark ist vielleicht der Schluss. Nachdem man ja die Pointe (leider) in der Stückbeschreibung quasi schon vorher erfährt, denkt man, es käme noch eine und vermisst sie dann etwas.
Das Stück, das natürlich vor allem Jugendliche ansprechen soll, ist bei diesen - und nicht nur bei ihnen - sehr gut angenommen. Es gab viel Beifall und die Vorstellungen waren oft sogar ausverkauft.

Auf jeden Fall aber war Susanne Bormann in "das maß der dinge" ein Erlebnis. Die Rolle als blondes Gift war wie gemacht für sie und sie hat einfach hinreißend gespielt.
Noch mehr ... "das maß der dinge":
Das Buch ist auf deutsch bisher leider nicht erschienen - vielleicht wird sich der Rowohlt-Verlag einmal der Sache annehmen. Das amerikanische Original kann z.B. hier erworben werden, ist mit den vielen Satzfetzen aber sicher nicht jedermanns Geschmack. Ich finde die deutsche Übertragung für die Bühne von Jakob Kraut mit ihren herrlichen Sprachspielen und Doppeldeutigkeiten - auch wenn sie nicht immer dem englischen Pendant entsprechen - jedenfalls sehr gelungen.Außerdem gibt es (z.B. hier) eine Filmversion mit Rachel Weisz, übrigens der Evelyn der Bühnenerstaufführung, und lippensynchron übersetzen Dialogen - verfilmt vom Filmemacher LaBute selbst. Ob es da ketzerisch ist, die Nürnberger Inszenierung mit Susanne Bormann sowohl der Schauspieler als auch der Dialoge wegen besser zu finden? (MB)
DVD erschienen bei Al!ve - herzlichen Dank für die Genehmigung des Covers.
Auch die Presse fand die Nürnberger Inszenierung von LaButes das maß der dinge sehenswert. Hier einige Meinungen:
Die Nürnberger Zeitung hat in ihr Urteil ein nettes Kompliment eingeflochten: "Susanne Bormann, die bereits alle Voraussetzungen der blonden Traumfrau mitbringt..."
Die Nürnberger Nachrichten sind weniger begeistert und fragen vor allem, ob es Sinn macht, das Stück gleichzeitig in Nürnberg und im benachbarten Fürth zu inszenieren. Zu Susanne Bormanns Evelyn heißt es: "Den schüchternen Adam hat das freche Girlie, das Susanne Bormann aufgeregt als eine Mischung aus supercooler Calamity-Jane und verführerischer Barbie gibt, schnell um den Finger gewickelt."
Der Neue Tag schreibt: "Die Kälte und Überlegenheit seiner "Neuschöpferin" Evelyn fröstelt durch Susanne Bormann, deren konstruierter Charme in den knappen zwei Stunden Spieldauer penetrant verletzend wahrgenommen wird."
Als Ergänzung: Im Internet gibt es etliche intelligente und kritische Darstellungen zu der Inszenierung und zum Stück allgemein.
Herbert Fuchs im Marburger Forum: "Neil LaBute ist der Gegenwartsdramatiker überhaupt... LaButes wirkliches dramatisches Talent beweist sich in der Doppelbödigkeit der einzelnen Szenen und des gesamten Stücks.
Seitentitelbild: © Marion Bührle, mit herzlichem Dank
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